Wenn der Verfassungsschutz in der Migrationspolitik Partei ergreift: Zur Einstufung des AfD-Landesverbandes Sachsen als „gesichert rechtsextremistisch“

Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen hat soeben den sächsischen AfD-Landesverband als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Die in einer kurzen Pressemitteilung gelieferte Begründung für diese Einstufung erweckt jedoch eher Zweifel an der Verfassungstreue des Verfassungsschutzes denn an jener der AfD. De facto stuft der sächsische Verfassungsschutz mit seiner Begründung nämlich entschieden migrations- und islamkritische Positionen per se als verfassungsfeindlich ein. Damit ergreift er politisch Partei, wofür ihm jedwede verfassungsrechtliche Legitimation fehlt.

Das Ziel der Erhaltung des ethno-kulturellen Volkes ist mitnichten verfassungswidrig, vielmehr ist dessen Zurückweisung volksfeindlich

So behauptet die Pressemitteilung, die Landespartei verfolge „im Hinblick auf die Zuwanderung eine Politik des sogenannten Ethnopluralismus, einem Markenkern des politischen Rechtsextremismus. Danach würde sich der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ausschließlich nach ethnisch-biologischen bzw. kulturellen Kriterien richten.“ Ausschließlich? Wenn dem so wäre, müsste die Partei fordern, dass der Nachwuchs von zwei in Deutschland lebenden Staatsbürgern, welche nicht im ethnisch-biologischen oder kulturellen Sinne deutsch sind, bei der Geburt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit erhält. Eine solche Forderung aber gibt es bei der AfD nicht, und das dürfte dem LfV durchaus bekannt sein.

Doch offenbar erscheint einigen „Verfassungsschützern“ bereits „das Ziel des ethnischen Erhalts des deutschen Volkes“ verfassungswidrig. Das Verwaltungsgericht Köln hat sich in seiner bekannten Entscheidung zur Erlaubtheit der Hochstufung der AfD zum Verdachtsfall dieser originellen Rechtsauffassung angeschlossen. Es behauptet nämlich, aus besagter Zielsetzung ergebe sich die Vorstellung von deutschen Staatsangehörigen „erster und zweiter Klasse. Idealbild ist der autochthone Deutsche.“

Gericht und Verfassungsschutz ist anscheinend entgangen, dass das Bundesinnenministerium als ein Ziel der Minderheitenpolitik „Erhalt und Weiterentwicklung der ethnokulturellen Identität“ der Auslandsdeutschen nennt. Gemäß der Logik des Verwaltungsgerichts Köln ist also das „Idealbild“ des BMI der ethnokulturelle Auslandsdeutsche, dem gegenüber andere Auslandsdeutsche zweitklassig sind. Man darf gespannt sein, wann der Verfassungsschutz unter Berufung auf des VG Köln das Bundesinnenministerium als Verdachtsfall einstuft.

Tatsächlich aber ist natürlich die Vorstellung, dass aus der Unterscheidung zwischen deutschem Staatsvolk und deutschem ethnisch-kulturellen Volk in Konjunktion mit dem Wunsch, letzteres zu erhalten, zwingend das Ziel der Diskriminierung von nicht-ethnokulturellen Deutschen folge, bar jeder Logik. Wenn der jüdische Golfclub auch einige Nichtjuden zulässt, aber dies nicht in dem Maße tun will, dass der jüdische Charakter des Clubs verloren geht, so folgt aus dieser Absicht schwerlich der unbedingte Wille, Nichtjuden in der Clubkantine das schlechtere Essen vorzusetzen.

Apropos Juden: Ihrer eigenen buchstäblich volksfeindlichen Logik nach müssten sowohl der Verfassungsschutz als auch das VG Köln die Konsequenz ziehen, dass Juden, die im israelischen Staat ein Instrument sehen, das jüdische Volk (nicht nur das israelische Staatsvolk) zu erhalten, „Rassisten“ sind. Mit dieser Auffassung dürften sie freilich bei der AfD auf weit weniger Verständnis stoßen als bei großen Teilen der links-grünen „Elite“, welche sich augenblicklich weltweit, auch hierzulande, auf den Straßen und in Universitäten begeistert mit antisemitischen Islamisten gemein macht. Das spricht für die AfD, nicht für den Verfassungsschutz oder die links-grüne „Elite“.

Das Staatsangehörigkeitsrecht nach vornehmlich ethno-kulturellen Kriterien entstammt nicht dem Nationalsozialismus und ist nicht „rassistisch“, sondern reicht verfassungskonform vom Kaiserreich bis in die Bundesrepublik

Im übrigen hat die Regelung des Einbürgerungsrechts nach (vornehmlich) ethno-kulturellen Kriterien, im Gegensatz zur maximal diffamierenden Suggestion des LfV-Präsidenten Dirk-Martin Christian, „seine Wurzeln“ durchaus nicht „im historischen Nationalsozialismus“. Es fand sich vielmehr bereits klar formuliert im Kaiserreich (und in zahlreichen anderen Staaten) und setzte sich im jus sanguinis der Bundesrepublik bis zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahre 2000 fort.

Noch ist es „rassistisch“. Solange eine Partei, welche für ein Staatbürgerschaftsrecht nach vornehmlich ethno-kulturellen oder gar „rassischen“ Kriterien eintritt, anderen Völkern (oder „Rassen“) der Welt genau dasselbe Recht einräumt, behauptet sie keineswegs die Überlegenheit der einen „Rasse“ über die andere (nur das wäre hier Rassismus), sondern vielmehr deren Gleichberechtigung.

Und schließlich sei darauf hingewiesen, dass sich gemäß der Präambel des Grundgesetzes „das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben“ hat, und zwar 1949, zu einem Zeitpunkt also, in dem deutsches Staatsvolk und ethno-kulturelles Volk weitestgehend deckungsgleich waren. Wer absurderweise unterstellt, ausgerechnet ein solcher Verfassungsgeber habe eine Verfassung intendiert, welche es zur Verpflichtung erhebe, das Ziel der Erhaltung des ethno-kulturellen Volkes nicht zu verfolgen, mag an vielem interessiert sein, etwa, wie die linksextremen „Antideutschen“, an der Auflösung eben dieses Volkes, aber wohl kaum in erster Linie am Schutze der Verfassung.

Deutsch-nationale Positionen werden nicht dadurch verfassungswidrig, dass der Verfassungsschutz sie „völkisch“ nennt

Weiter wird erklärt, die AfD vertrete in der Migrationsdebatte „typische völkisch-nationalistische Positionen, wie beispielsweise ‚Make Europa beautiful and white again‘ oder ‚Zwei Dinge sollten immer weiß sein: Weihnachten und Deutschland.‘“ Man kann allerdings etwas nicht dadurch als verfassungswidrig erweisen, dass man es mit Epitheta wie „völkisch-nationalistisch“ belegt. Wie der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kürzlich in der FAZ feststellte, ist es „in Deutschland nicht automatisch verfassungsfeindlich, für ein deutsch-nationales Politikangebot zu werben, solange sich damit nicht die Verletzung von Grundrechten aus unserer Verfassung verbindet.“ Die Forderung nach einem weißeren Deutschland ist jedoch nicht per se verfassungsfeindlich. Schließlich könnte man diese auch durch ein massenhaftes Ausweisen sich in Deutschland illegal aufhaltender Ausländer befördern, was nicht nur rechtlich zulässig, sondern geradezu rechtlich geboten ist, sowie durch strengere Migrationsbeschränkungen.

Selbst wenn die AfD Hautfarbe zu einem maßgeblichen Ausschlusskriterium erhöbe, wäre dies weder illiberal noch offensichtlich verfassungswidrig

Es ist nicht einmal klar, dass Hautfarbe explizit zu einem maßgeblichen Kriterium für Einwanderungserlaubnisse zu machen (eine Forderung freilich, die sich trotz des zitierten Spruchs bei der AfD nicht findet) verfassungswidrig ist. Zum einen verstößt es nicht gegen liberale Prinzipien, sondern kann sich im Gegenteil auf das liberale Recht auf Assoziationsfreiheit berufen. Nochmals, dies hat mit Rassismus nichts zu tun, denn anderen Völkern kann man schließlich dasselbe Recht zugestehen. Im übrigen ist Art. 3 Abs. 1 GG nicht vollumfänglich auf Ausländer anwendbar, und das Gleichheitsgebot dieses Artikels ist dem Bundesverfassungsgericht zufolge dem „aktuellen Gehalt“ nach ohnehin ein „Willkürverbot“. Eine zugunsten des demokratisch legitimierten und auch bei anderen Völkern verbreiteten Ziels des Erhalts relativer ethnischer Homogenität erfolgende Auswahl potenzieller Immigranten auch auf Grundlage ihrer Hautfarbe ist jedoch keineswegs offensichtlich „willkürlich“.

Die Hexenprozessbeweisstandards des Verfassungsschutzes und sein Messen mit zweierlei Maß

Auch die Wortwahl der AfD missfällt dem Verfassungsschutz. Anständige Bürger müssen sich offenbar hinreichend devot ausdrücken, sonst erkennt man in ihnen schnell den Verfassungs- und Staatsfeind. So erklärt das LfV, die AfD Sachsen verwende „regelmäßig ideologische Kampfbegriffe der rechtsextremistischen Szene, wie ‚Der Große Austausch‘, ‚Umvolkung‘ oder die Forderung nach ‚Remigration‘. Auch diese Begriffe verbergen ihren rassistischen Kern und ihre Urheberschaft im Nationalsozialismus.“ Und es meint: „Antisemitismus wird von führenden Vertretern des AfD-Landesverbandes nicht direkt geäußert, sondern durch sogenannte Codes und Chiffren verschlüsselt, zum Beispiel über die ‚internationale Finanzelite‘.“

Anders gesagt, das LfV erklärt hier, dass die besagten „Kampfbegriffe“ der AfD gerade nicht Nationalsozialismus und Rassismus entstammen – sonst wäre dieser Zusammenhang ja nicht „verborgen“ – und sie sich gerade nicht offensichtlich antisemitisch äußern. Aber dies wird nicht als Beleg für fehlenden Antisemitismus und Nationalsozialismus gewertet, sondern im Gegenteil als Ausdruck arglistiger Verschlüsselung. Die „Beweisführung“ des LfV erinnert an jene mittelalterlicher Hexenprozesse. Wenn Beweise gegen die Hexe fehlen, ist das der Beweis, dass sie diese magisch hat verschwinden lassen. Man darf annehmen, dass nach dieser ganz besonderen Erkenntnislogik die von der Ampelregierung in den Gazastreifen ganz offen transferierten Millionensummen umgekehrt Ausdruck geschickt verborgener Judenfreundlichkeit sind.

Erwähnt sei im übrigen, dass man Invektiven gegen die „internationale Finanzelite“ auch schon von linken Parteien gehört haben soll. Und Grüne empören sich seit Jahren gegen eine „fossile Lobby“ (wo hat die wohl ihren Sitz?), welche sich zur Sabotage klimafreundlicher Maßnahmen verschworen hat. Doch noch kein deutscher Verfassungsschutz hat solche Klagen als „kodierten“ Ausdruck von Antiamerikanismus, Antiarabismus oder Antiislamismus interpretiert. Bei einer derart einseitig praktizierten Hermeneutik des Verdachts kann man es der AfD Sachsen nicht verdenken, wenn sie das LfV eher als Regierungsschutz denn als Verfassungsschutz wertet – was auch deshalb nicht fernliegt, da die obersten Verfassungsschützer von den Innenministern kontrolliert (und gegebenenfalls entlassen) werden oder gar weisungsgebunden sind. Diesen Missstand sollte man aufheben.

Der Verfassungsschutz scheitert an dem durchsichtigen Versuch der Delegitimierung kritischer Bürger, ihm gelingt dadurch aber unfreiwillig die eigene

Misslich ist auch, dass das LfV Sachsen sich über die Unterschiede in den Rechten und Pflichten von Parteien einerseits und staatlichen Organisationen andererseits womöglich nicht hinreichend im Klaren ist. So beklagt es die „Islam- und Muslimfeindlichkeit des AfD-Landesverbandes“ wie auch dessen diesbezügliche Wortwahl und das damit angeblich verbundene Schüren von „Ressentiments gegen Ausländer in der Bevölkerung“. Andererseits missbilligt es die Kritik des AfD Landesverbandes an den „staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen“ und behauptet: „Es geht dem AfD-Landesverband nicht um eine sachliche Auseinandersetzung mit den politischen Verhältnissen, sondern um die generelle Herabwürdigung unserer Demokratie“ sowie darum, „Proteste und Widerstand aus der gesellschaftlichen Mitte heraus zu forcieren“.

Umgekehrt wird ein Schuh draus. Es ist wohl eher so, das der Bundesverfassungsschutz durch Einführung der ad hoc gegen Kritiker der Regierungsmaßnahmen gerichteten Kategorie der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ seinerseits verfassungswidrig scharfe Kritik an und Proteste gegen die Regierungsmaßnahmen delegitimieren wollte. Dass diese Maßnahmen zum Teil heillos überzogen waren und die Regierung Bürger oft desinformierte und Abweichler vom vermeintlich „wissenschaftlichen Konsens“ gern diffamierte, dürfte inzwischen weithin bekannt sein.

Wenn „Brandmauern gegen rechts“ verfassungskonform sind, sind es auch solche gegen muslimische Masseneinwanderung

Und was das „Schüren von Ressentiments“ angeht: Aufgrund der in der Verfassung verbürgten Gewissens- und Meinungsfreiheit dürfen Parteien durchaus Ressentiments gegen andere Gruppen haben und diese auch klar zum Ausdruck bringen. Zwar darf nach Art. 3 GG niemand wegen „seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“, aber dies ist natürlich in erster Linie ein Abwehrecht gegen den Staat. Wenn also links-grüne Parteien seit Jahren massiv und mit oft übelster Wortwahl gegen Menschen mit einer rechten Weltanschauung hetzen und eine „Brandmauer gegen rechts“ fordern und somit Rechte aus dem demokratischen Spektrum ausschließen wollen, sieht dies weder das Bundesamt noch irgendein Landesamt für Verfassungsschutz als Ausdruck einer zutiefst illiberalen, undemokratischen und mithin verfassungsfeindlichen Gesinnung links-grüner Parteien. Wenn dann aber ein Landesamt andererseits sogleich Verfassungsfeindlichkeit erkennt, wenn sich eine Partei deutlich gegen muslimische Masseneinwanderung wendet, zeigt es somit seine Parteilichkeit und verletzt als staatliche Institution selbst ein Abwehrrecht gegen den Staat. Das gilt auch dann, wenn sich der Bundesverfassungsschutzpräsident über deren verfassungsschutzamtliche Bewertung hinaus gegen die AfD positioniert. Dies steht ihm schlicht nicht zu.

Mancher deutscher Verfassungsschützer sollte sich also beim Schutz der Verfassung gelegentlich an die eigene Nase fassen. Dass mancher von ihnen in eben dieser Aussage neuerdings eine „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung“ einer staatlichen Institution sehen mag, bestätigt leider ihre Richtigkeit.

© Uwe Steinhoff 2023

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