Mahrs Märchenstunde: Wenn Soziologen den Kontakt zur biologischen und politischen Realität verlieren

Das Portal „Geschichte der Gegenwart“ bietet Transgenderideologen immer gern eine Plattform. Diesmal Dana Mahr, der durch seine unermüdliche, ja geradezu obsessive Hetze gegen die Biologin Marie-Luise Vollbrecht bekannt geworden ist. Auch hier tituliert er sie nochmals als “transfeindliche[] Aktivistin”. Er bezeugt damit wohl eher seinen eigenen frauen- und wissenschaftsfeindlichen Aktivismus.

Wessen Ziele sind wohl „faschistoid“ und antifeministisch?

Das gelingt ihm auch im Rest seines Beitrags. Dessen Titel lautet „Reaktionärer Biologismus. Was rechte Akteure und ,radikale Feministinnen‘ verbindet.“ Ja, was nur? Der Schlussabsatz liefert uns seine diesbezügliche Konklusion:

„Die Durchsetzung einer biologistisch bestimmten Geschlechtszugehörigkeit würde die Errungenschaften des Feminismus um 50 Jahre zurücksetzen und einen gefährlichen Präzedenzfall für die weitere Einschränkung von Freiheitsrechten schaffen. In diesem Sinne sind die Ziele der sogenannten ‚radfems‘ im Kern antifeministisch und faschistoid.“

Offensichtlich versteht Mahr von Geschlecht so wenig wie von Feminismus. Denn erstens ist die Geschlechtszugehörigkeit nicht „biologistisch“, sondern biologisch bestimmt, was auch bedeutet, dass niemand sie „durchsetzen“ muss. Sie ist gegeben. Das mag einem Mann wie Mahr, der trotz eines aussagekräftigen Profilfotos vom besagten Portal als „Medizinsoziologin und Wissenschaftshistorikerin” angekündigt wird und sich als „Frau Dr. Mahr“ anreden lässt, missfallen, ändert aber nichts an den Fakten.

Durchgesetzt werden müsste vielmehr eine Politik, die Menschen in Verletzung ihrer Menschenrechte auf Rede- und Gewissensfreiheit dazu zwingt, diese Fakten und somit die Realität vor ihren Augen zu ignorieren und sich zu Instrumenten der Bestätigung der Selbstwahrnehmung anderer degradieren zu lassen. Genau eine solche Politik sieht das von Mahr unterstützte Selbstbestimmungsgesetz vor. Zudem würde es Männern Zugang zu aus guten Gründen Frauen vorbehaltenen Schutzräumen ermöglichen. Und schließlich kommen auch noch gravierende negative Folgen für Elternrechte und Kindeswohl hinzu. Kurz, die Ziele der Transgenderideologen sind eltern-, kinder-, und frauenfeindlich und zutiefst illiberal. „Faschistoide“ Züge können diese daher am einfachsten im Spiegel entdecken.

Und wessen Ideologie ist wohl wissenschaftsfeindlich?

Dort werden sie ebenfalls leicht fündig, wenn es um Wissenschaftsfeindlichkeit geht, die Mahr absurderweise den Gegnern der Transgenderideologie unterstellt. So hat nämlich tatsächlich niemand Geringeres als die Biologin und Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard kürzlich gegen die Transgenderideologie bekräftigt, dass die Geschlechter über die Art der anisogametischen Keimzellen definiert sind und es derer nur zwei gibt. Das passt Mahr natürlich gar nicht, und er erklärt:

„Diese sehr eindeutige, sehr vereinfachende Sicht auf das menschliche Geschlecht sagt weniger über die Biologie des Menschen als über die wissenschaftliche Sozialisation von Frau Nüsslein-Volhard aus. Denn einerseits war ihre Hauptschaffensphase in den 1970er und 1980er Jahren (in der es das Feld der Systembiologie noch nicht gab), und andererseits fokussierte sich ihre Forschung auf Modellorganismen wie Zebrafische und Fruchtfliegen.“

Es ist wohl eher so, dass diese Aussagen Mahrs – wie soll man sagen? – wissenschaftlich asozial sind. Erstens begreift er nicht – wer hätte das gedacht? – wie Biologie funktioniert. Die wechselt ihren Geschlechtsbegriff nicht von einer Spezies zur anderen, denn sie will Dinge wissenschaftlich erklären und nicht narzisstische Bedürfnisse befriedigen. Zweitens hat Nüsslein-Volhard seit 2018 mindestes acht wissenschaftliche Artikel in biologischen Fachzeitschriften veröffentlicht, davon drei allein dieses Jahr (in diesem Jahr gab es die Systembiologie schon). Damit übertrifft sie nicht nur Mahrs soziologischen Output, sondern auch seinen biologischen, der bei genau Null liegt. Kurz, wenn ein „Mediensoziologe“ einer nach wie vor intensiv forschenden Nobelpreisträgerin den Kenntnisstand der Biologie erklären will, befinden wir uns auf einer Ebene von Arroganz und Ignoranz, die gewiss nicht nobelpreis-, aber doch rekordverdächtig ist.

Übrigens übertrifft Nüsslein-Volhard mit ihrem wissenschaftlichen Output der letzten Jahre, soweit ich feststellen konnte, auch jenen des einzigen Gewährsmannes, den Mahr für seine Behauptungen über den vermeintlich aktuellen Stand der Biologie anführt, nämlich den des Neurologen Steven Novella. Dabei verweist Mahr noch dazu keineswegs auf einen wissenschaftlichen Fachartikel Novellas, sondern auf einen Essay auf dem von diesem gegründeten und editierten Blog. Das wäre vielleicht nicht weiter schlimm, wenn nun wenigstens Novella mit Belegen aufwarten würde. Tut er nicht. Vielmehr bleibt er für seine vollmundige Behauptung „The notion that sex is not strictly binary is not even scientifically controversial“ jedweden Nachweis schuldig. Nada. Niente. Zero. Der Artikel ist, wie Kritiker bereits gezeigt haben, schlampig recherchiert und argumentativ völlig verworren.

Das hat er mit Mahrs Artikel gemein. Dass dieser sich nur in leerem Gerede ergeht, bemerkt man auch durch den schon zitierten Verweis auf die „Systembiologie“. Mahr meint, diese sei „interdisziplinär[]“. Das ist sie bestenfalls in dem Sinne, dass sie verschiedene Disziplinen innerhalb der Biologie zusammenbringt, aber das tun viele andere Biologiefelder auch. Insofern sie jedoch der Disziplin der Biologie angehört, ist sie disziplinär – Soziologie etwa, geschweige denn „gender studies“, spielen keine Rolle. Mahr suggeriert zudem, die Systembiologie habe einen „komplexeren“ Geschlechtsbegriff als den von Nüsslein-Volhard explizierten. Auch für diese Behauptung bleibt Mahr wenig überraschend abermals jedweden Nachweis schuldig, was wohl daran liegen dürfte, dass Systembiologen (etwa hier und hier) anders als Mahr um das biologische Faktum der Zweigeschlechtlichkeit wissen.

Der auf dem Mond lebt

Als abschließender und vielleicht amüsanter Beleg für Mahrs Realitätsverlust sei noch dieses Zitat angeführt:

„Biologie als Legitimationsgrundlage für gesellschaftliche Entscheidungen, Definitionen, Politik und Akzeptanz, so etwas gab es seit dem Sozialdarwinismus des 19. und frühen 20. Jahrhundert nicht mehr.“

Hat Herr Mahr die letzten drei Jahre auf dem Mond verbracht? Aber vielleicht glaubt er ja, die Virologie sei Teil der „gender studies“.

© Uwe Steinhoff 2022

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