Das schwierige Verhältnis des „queer-Beauftragten“ Sven Lehmann zum Kindeswohl: Eine Erwiderung auf Lehmanns ZEIT ONLINE Interview

In einem soeben in der ZEIT veröffentlichten Interview stellt der grüne „queer-Beauftragte“ und MdB Sven Lehmann bei seinem Lob des von der Ampel geplanten und irreführend so genannten „Selbstbestimmungsgesetzes“ neben einem inflationären Verständnis von „Diskriminierung“ bei gleichzeitigem Desinteresse an Frauenrechten insbesondere auch einen beunruhigend nachlässigen Umgang mit dessen Auswirkungen auf das Kindeswohl unter Beweis. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Jugendliche ab 14 Jahren ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister auch ohne Zustimmung der Eltern ändern lassen dürfen.

Auf die von Kritikern geäußerte Befürchtung, dass Minderjährige dies in der Pubertät, beeinflusst von Gleichaltrigen und der bei diesen angesagten Transgenderideologie, vorschnell tun könnten, entgegnet Lehmann: „Man muss klar unterscheiden zwischen der Frage, was im Pass steht, und der von körperlichen Transitionsverfahren. Für junge Menschen ist oft sehr wichtig, dass sie in Schule oder Sportverein nicht mehr mit dem Geschlecht oder Namen angesprochen werden, den sie eigentlich schon abgelegt haben. Deswegen ist die Frage des rechtlichen Eintrags im Ausweisdokument so wichtig. Ich bin der Meinung, dass auch 14-Jährige da mündig sind, wir trauen ihnen ja auch bei der Religionszugehörigkeit oder vorgezogenen Straffähigkeit eine Mündigkeit zu.“ Andererseits aber rät er bei „körperlichen Transitionen“ zu einem „behutsamen Umgang“ und erläutert: „Je nach Leidensdruck können Jugendliche aber schon vor der Pubertät mit der Hormonbehandlung beginnen. … Das regeln wir aber nicht per Gesetz, das entscheiden Ärzt*innen in Beratungen mit den Betroffenen und ihren Eltern sowie nach den medizinischen Leitlinien.“

Diese Ausführungen sind irreführend oder sogar schlichtweg falsch; und Lehmann sollte das eigentlich wissen. Erstens will die Regierung Ärzte gerade nicht nach medizinischen Leitlinien entscheiden lassen, sondern hat im Koalitionsvertrag ganz im Gegenteil angekündigt, das schon jetzt existierende Gesetz zum Schutz vor „Konversionsbehandlungen“ nochmals zu verschärfen. Die Deutsche Gesellschaft für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft kritisiert dieses Gesetz scharf, da es eben sehr wohl „das aktuelle sozialmedizinische Vorgehen einer begleitenden Psychotherapie bei Personen, die unter einer Geschlechtsdysphorie leiden, quasi unter Strafe“ stellt.[1] Dadurch macht es umgekehrt sogenannte „affirmative Therapien“ verpflichtend, welche Kinder und Jugendliche kritiklos in ihrem „Trans“-Glauben bestärken und ihnen weitgehend umstandslos Pubertätsblocker aushändigen. Dies ist politisch und medizinisch verantwortungslos. Studien zeigen, dass die überwältigende Mehrheit von Minderjährigen, die nicht durch „Affirmation“ verführt werden, von selbst wieder aus der vermeintlichen Genderdysphorie herauswachsen;[2] während fast all jene, die „affirmiert“ und auf Pubertätsblocker gesetzt wurden, zur Einnahme gegengeschlechtlicher Hormone fortschreiten und schließlich häufig bei der Amputation gesunder Organe wie Brüste und Penis im Zuge einer vermeintlichen „Geschlechtsumwandlung“ enden.[3] Lehmann irrt also fatal, wenn er es für „wichtig“ erklärt, dass Minderjährige ihren Geschlechtseintrag ändern können und sie „in Schule oder Sportverein nicht mehr mit dem Geschlecht oder Namen angesprochen werden, den sie eigentlich schon abgelegt haben.“ Es ist vielmehr ganz im Gegenteil wichtig, einen solch ideologisch motivierten Unfug tunlichst zu unterlassen, da er eben jene unkritische „Affirmation“ darstellt, welche sodann geradezu zwangläufig zu weiteren Schritten bis hin zur Verstümmelung des eigenen Körpers führt. Vom Wechsel der Religionszugehörigkeit oder vorgezogener Strafmündigkeit lässt sich das nicht sagen. Umgekehrt aber, wenn man schon dieses Hohelied der „Selbstbestimmung“ Minderjähriger anstimmt – wollen die Grünen und die Ampel in einem nächsten Schritt 14-jährigen erlauben, durch freiwillige Prostitution etwas Taschengeld hinzuzuverdienen? Derweil eine solche Politik zwar nahtlos an die einstige Pädophilieapologetik der grünen Partei anschließen würde, ist die auch wissenschaftlich korrekte Antwort auf die provokante Frage natürlich, dass sich altersunangemessene „Selbstbestimmung“, hier wie da, nicht mit Kindeswohl verträgt. Doch während die Grünen beim Klima und Corona „der Wissenschaft folgen“ wollen, ist diese ihnen bei Fragen des Kindeswohls offenbar abermals weniger wichtig denn die eigene Ideologie.


[1] Deutsche Gesellschaft für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft (DGSMTW), „Brief an die Mitglieder aller Fraktionen des Ausschusses für Gesundheit“ (betreffs des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor Behandlungen zur Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität), abrufbar hier: https://www.dgsmtw.de/news/.

[2] Drummond KD, Bradley SJ, Peterson-Badali M, Zucker KJ. A follow-up study of girls with gender identity disorder. Developmental Psychology. 44(1) (2008), pp. 34-45. doi: 10.1037/0012-1649.44.1.34. Singh Devita, Bradley Susan J. und Zucker Kenneth J., „A Follow-Up Study of Boys With Gender Identity Disorder“, Frontiers in Psychiatry 12 (2021), pp. 1-18.

[3] Annelou L. C. de Vries, Thomas D. Steensma, Theo A. H. Doreleijers und Peggy T. Cohen-Kettenis, „Puberty suppression in adolescents with gender identity disorder: a prospective follow-up study“, Journal of Sexual Medicine 8(8) (2011), pp, 2276-83. doi: 10.1111/j.1743-6109.2010.01943.x.

© Uwe Steinhoff 2022

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