Ein sich der „kritischen Theorie“ nahe wähnendes Autorenkollektiv bestehend aus Robin Celikates, Katharina Hoppe, Daniel Loick, Martin Nonhoff, Eva von Redecker und Frieder Vogelmann hat kürzlich gegen die von Transgenderideologen aus Ihrer Professur in Sussex gemobbten Katharine Stock in der ZEIT noch einmal nachgelegt und zudem einem Orwellianisch umdefinierten Begriff von „Wissenschaftsfreiheit“ gehuldigt, der mit echter Wissenschaftsfreiheit unvereinbar ist. Vojin Saša Vukadinović und ich haben Stock und die Wissenschaftsfreiheit gegen diesen Angriff unabhängig voneinander in der ZEIT beziehungsweise der FAZ verteidigt. Das Kollektiv ist darüber nicht glücklich und hat somit einen weiteren Text produziert: Machtverhältnisse statt Mythen: Für ein emanzipatorisches Verständnis von Wissenschaftsfreiheit. Dies ist meine Entgegnung.
Im Glashaus mit Steinen und heißer Luft
„Kritischen Theoretikern“ ist Selbstkritik offenbar fremd; sonst würden sie nicht im Glashaus mit Steinen werfen. Dies ist jedoch genau das, was unser Kollektiv tut. So erklärt es in unsere Richtung: „Die reflexartigen Erwiderungen verlassen rasch die sachliche Ebene zugunsten von Unterstellungen und persönlichen Angriffen.“ Zugegeben, diesen Vorwurf kann man den Damen und Herren des Kollektivs nicht machen. Sie verlassen die sachliche Ebene schon allein deswegen nicht, weil sie sie gar nicht erst betreten. Stattdessen deklarieren sie gleich zu Beginn ihres Artikels Stocks Positionen (und damit auch Vukadinovićs und meine) als „transfeindlich.“ Unglücklicherweise liefern unsere angeblich so sehr an der sachlichen Ebene interessierte Autoren aber weder eine Definition von „transfeindlich“ noch eine Erklärung dafür, warum so verstandene „Transfeindlichkeit“ etwas Schlechtes sein sollte (je nach Definition, zum Beispiel definiert als Zurückweisung der Transgenderideologie, kann „Transfeindlichkeit“ nämlich auch etwas Gutes und rational Gebotenes sein), noch die weitere Erklärung, inwiefern Stocks Positionen „transfeindlich“ im Sinne der (ja gar nicht erst gelieferten) Definition sind. Kurz, sie beginnen Ihren Artikel nicht mit einem Argument, sondern mit einer raunenden Unterstellung und heißer Luft.
Unterstellungen, Verdrehungen und Lügenpropaganda
Auch im Rest des Artikels wird man, was Argumente angeht, nicht recht fündig. Es folgen vielmehr weitere Unterstellungen. So habe ich angeblich auf meiner „Homepage und auf Twitter an die Adresse von Paula-Irene Villa“ „Schweigegebote“ ausgesprochen. Zudem suggerieren unsere Heroen des sachlichen Diskurses, dass Vukadinović und ich Transpersonen deren „Anspruch[] auf ein Leben ohne Angst vor Gewalt ab[]sprechen“. Sie verkünden zudem, dass dies nahelege, dass es uns „tatsächlich um etwas anderes geht als einen Beitrag zur akademischen Diskussion: nämlich um die Verunmöglichung von Kritik und die Durchsetzung einer transfeindlichen politischen Agenda unter dem Deckmantel der Wissenschaftsfreiheit (die zudem, immer wenn es strategisch opportun erscheint, mit der Meinungsfreiheit gleichgesetzt wird, obwohl sie klarerweise anderen Standards und Logiken folgt). Damit stellen sie sich selbst in die Nähe derjenigen, die auf ebenso schwacher Grundlage ‚LGBT-Ideologiefreie Zonen‘ fordern und Butler für die Verkörperung des Teufels halten.“
Potzblitz – so sieht es also aus, wenn „kritische Theoretiker“ auf Unterstellungen angeblich ganz verzichten. Es kann einem nur schaudern beim Gedanken, was passierte, wenn sie einmal solch tugendhafte Enthaltsamkeit aufgäben. Dann würden Vukadinović und ich bedröppelt im Regen stehen und flux verantwortlich gemacht für den Klimawandel, die tektonische Plattenverschiebung, das Aussterben der Dinosaurier und die Absetzung der Serie Firefly. Zurück jedoch aus dem Paralleluniversum „kritischer Theoretiker“ und fest auf dem Boden der Realität stehend sei angemerkt, dass nicht wir uns, sondern sie uns in Ermangelung jedweder Argumente und aus klar propagandistischen Motiven heraus in die Nähe von allen möglichen Dingen stellen. De facto stehe ich jedoch denkbar weit entfernt von Leuten, die Butler als Verkörperung des Teufels sehen – das wäre, wenn man Miltons und Goethes Beschreibungen des Letzteren folgt, weiß Gott (pun intended!) entschieden zu viel der Ehre. So wurde Butler von Martha Nussbaum auch folgerichtig nicht als Fürstin der Finsternis, sondern als „professor of parody“ bezeichnet. Ich wiederum sehe sie als weibliche Version von L. Ron Hubbard, was sich auch am intellektuellen Profil der Anhängerschaft beider Geistesgrößen bestätigt.
Was „Transfeindlichkeit“ angeht: Ich habe schon dargelegt, dass das kollektivistische Kollektiv hierfür kein Argument hat, es also bei der Unterstellung belässt. Was ich tue, ist schlicht die Transgenderideologie zurückzuweisen. Das „verunmöglicht“ weder Kritik (wie auch?), noch ist es transfeindlich (jedenfalls nicht, wenn man das Wort „feindlich“ in seinem üblichen Sinne gebraucht), sondern vernünftig. Umgekehrt ist diese Ideologie anzuerkennen völlig irrational und frauenfeindlich (ich komme darauf zurück). Bei der Unterstellung wiederum – Belege bleiben unsere Helden des sachlichen Diskurses natürlich abermals schuldig – Vukadinović und ich würden Transpersonen den Anspruch auf ein Leben ohne Angst vor Gewalt absprechen, handelt es sich um widerlichste Lügenpropanda. Wir kennen diese von Transgenderideologen zu Genüge. Und schließlich ist es einfach nur albern, wenn das Kollektiv erklärt, ich habe Schweigegebote ausgesprochen. Offenbar kann man unseren „kritischen“ Dozenten und Professoren (wie auch Villa Braslavsky) weder sonderliche Nähe zum Bildungsbürgertum noch sonderliche fachliche, in diesem Falle philosophische Qualifikation zuschreiben (die armen Studenten!). Philosophisch qualifizierte Menschen lernen nämlich frühzeitig, zwischen kategorischen und hypothetischen Imperativen zu unterscheiden. „Halt’s Maul!“ ist ein kategorischer, ein unbedingter Imperativ. Der Sprecher spricht in der Tat ein Schweigegebot aus, wie es Transgenderideologen gegen Stock taten und tun. „Wenn Du nicht als Tor erscheinen willst, solltest du nicht töricht daherreden“ ist hingegen ein hypothetischer „Imperativ“ und die implizite Bedeutung des bildungsbürgerlichen lateinischen Satzes „si tacuisses, philosophus mansisses.“ Mit diesem Satz wird kein Gebot ausgesprochen, sondern lediglich ein Rat erteilt (genau jenen, welchen ich Villa-Braslavsky erteilt hatte), nämlich der Rat, nicht töricht daherzuschwätzen, wenn man nicht als Tor erscheinen will. Ganz offensichtlich schlagen gewisse „gender studies“ Professorinnen und „kritische Theoretiker“ diesen Rat in den Wind.
Der Wille zur Lügenpropaganda zeigt sich auch, wenn das Kollektiv erklärt, ich habe „Transfeindlichkeit einfach als eine wissenschaftliche ‚Meinung‘ unter anderen dargestellt“ und offen ausgesprochen, „was viele nur denken, nämlich dass vulnerable Personen ohnehin ‚an einer Universität fehl am Platze‘ seien.“ Nein, habe ich nicht. Was ich tatsächlich gesagt habe, ist dies: „In wissenschaftlichen Seminaren sind Thesen und Theorien kritisch zu diskutieren, nicht Selbstbilder zu bestätigen. Solcher Widerspruch schließt im Übrigen die gleichberechtigte Teilnahme am Seminar nicht aus. Wer aber umgekehrt solchen Widerspruch nicht aushalten kann oder Studenten nicht zumuten will, ist an einer Universität fehl am Platze.“ Weder wird hier Transfeindlichkeit (und nochmals: transgenderideologischen Unfug zurückzuweisen, ist nicht „feindlich“, sondern rational) als eine Meinung unter anderen dargestellt, noch wird hier irgend etwas über „vulnerable“ Gruppen gesagt. Leute mit Übergewicht und Herzkreislaufschwäche sind auch „vulnerabel,“ aber diese Art von Vulnerabilität ist kein Grund, nicht zur Uni zu gehen. Andere Arten von „Vulnerabilität“ sind es schon: Solche Kreationisten, Nationalsozialisten, Kommunisten, Flacherdler und Transgenderideologen, die in tiefe Depressionen verfallen, wenn sie mit den historischen, geologischen oder biologischen Realitäten konfrontiert werden, können kaum erwarten, dass man ihrer Empfindlichkeiten wegen den Lehrplan ändert. Wenn sie den Widerspruch nicht ertragen, sollten sie also in der Tat zu Hause und in ihrer Blase bleiben. Andererseits wiederum sind narzisstische sich transidentifizierende Männer, die zum Mittel des Mobbing greifen, wenn andere sie nicht als Frauen anerkennen, nicht vulnerabel, sondern vulnerierend. Das Gesindel, das auf Twitter ständig vermeintliche „TERfs“ mit Hasstiraden und Gewaltphantasien überhäuft, ist ein gutes Beispiel. Ebenfalls nicht vulnerabel, sondern vulnerierend, sind arrogante „gender studies“, Soziologie- oder Philosophieprofessoren oder -dozenten, welche Studenten und Opponenten, die ihren lachhaften transgenderideologischen Thesen widersprechen, als Menschenfeinde abkanzeln. Dass „kritische Theoretiker“ dies nicht begreifen, ist nicht überraschend, denn diese schwadronieren zwar gern von „Kritik“, ertragen sie aber nicht.
Whataboutism für Arme
Weiter geht es mit der Propaganda des Kollektivs, wenn es mit Hinweis auf dessen angeblich mangelndes Differenzierungsvermögen Vukadinović unterstellt – natürlich abermals ohne jeden Textbeleg, denn welcher Ideologe braucht schon Beweise – , er werfe „[s]achlich formulierte offene Briefe und begründete Proteste … mit hate tweets, Einschüchterungsversuchen und gar Morddrohungen in einen Topf“, um „berechtigte Kritik zu delegitimieren.“ Nein, das tut er nicht. Vielmehr sind sie es, die ihn hier diffamieren, um seine berechtigte Kritik an ihnen zu delegitimieren. Und es sind tatsächlich sie, die Dinge in einen Topf werfen. So werfen sie Vukadinović und mir die „Dramatisierung von Einzelfällen“ vor und erklären: „Niemand leugnet die Existenz oder die Relevanz dieser Fälle, doch diese bedürfen einer Einordnung in die universitären und gesellschaftlichen Machtverhältnisse.” Interessanterweise erklären sie nicht, was diese „Einordnung“ erreichen soll. Welches Argument von Vukadinović und mir wird durch diese Einordnung widerlegt? Wir haben darauf hingewiesen, dass zur transgenderideologischen Strategie und Praxis der Angriff auf die Rede- und Wissenschaftsfreiheit gehört. Ihre Rede von „Einordnung“ scheint schlicht Whataboutism zu sein: als ob der Hinweis, dass es solche Angriffe auch von anderer Seite gibt, die transgenderideologischen Angriffe irgendwie besser dastehen ließe.
Wenn man sich aber schon auf Whataboutism verlegt, sollte man dann das Falsche wenigstens richtig machen. Nicht einmal dazu aber ist das Kollektiv in der Lage. So beschweren sie sich, Vukadinović verliere kein Wort zu Lisa Tilley, „die im August ihre Stelle am Birkbeck College in London aufgab, um auf die Bedrohung der akademischen Freiheit durch ihren Kollegen, den bekannten Rechtsintellektuellen Eric Kaufmann, aufmerksam zu machen, der gezielt von ihm als links identifizierte Studierende und Kolleg:innen attackiert.“ Attackiert? Kritisiert hat er sie. Scharf, ja, aber mit Worten. Gewaltandrohungen, geschweige denn Gewaltandrohungen, die die Polizei um die Sicherheit von Tilley hätten fürchten lassen, hat er nicht ausgestoßen. Ein Mitglied des Kollektivs, individuell unterwegs, verweist andernorts zudem auf den Fall von „Jasmina Kuhnke, [die] ihren Besuch auf der Frankfurter Buchmesse absagt, weil sie sich von der Präsenz klar rechts positionierter Verlage bedroht fühlt“. Mit anderen Worten, unser Kollektiv versucht hier allen Ernstes (während es anderen vorwirft, Dinge in einen Topf zu werfen), den Fall einer Philosophin, die mit der glaubhaften Drohung physischer Gewalt aus ihrem Job gemobbt wurde, durch den Vergleich mit einer Frau zu „entdramatisieren“, die einer Veranstaltung ferngeblieben ist, weil die Veranstalter einen Verlag nicht cancelten, sowie mit einer Frau, die ihren Posten freiwillig hinwirft, weil jemandes Redefreiheit nicht eingeschränkt wurde. Das heißt, auf der einen Seite ist eine Frau, deren Wissenschaftsfreiheit von anderen durch Gewaltdrohung eingeschränkt wurde, auf der anderen Seite zwei Frauen, denen es nicht passte, das andere Leute nicht in ihrer Redefreiheit eingeschränkt oder gecancelt wurden. Das zeigt uns deutlich, was unser Kollektiv unter einem „emanzipatorischen Verständnis von Wissenschaftsfreiheit versteht“: eben gerade linke Zensur und linke cancel culture. Daher muss man beinahe schmunzeln, wenn sie des Weiteren erklären: „Der „Kampf ‚mit allen Mitteln‘ ist eine rechte Strategie“. Ja, klar! Würde Linken nie in den Sinn kommen, wie wir spätestens seit Stalin wissen, einem anderen bedeutenden Verfechter eines „emanzipatorischen Verständnisses von Wissenschaftsfreiheit“.
Die anderen Fälle, auf die das Kollektiv verweist, haben entweder nichts speziell mit Rede- und Wissenschaftsfreiheit zu tun oder betreffen staatliche Eingriffe. Diese Dinge waren aber schlicht nicht das Thema; und man sollte ja bekanntlich Dinge nicht in einen Topf werfen. Im übrigen ist ihr Hinweis, „dass Beschwerden über Machtmissbrauch von Kolleg:innen, Vorgesetzten und Universitätsleitungen oft unter den Teppich gekehrt und unter Androhung von Vergeltung aktiv unterbunden werden, wenn Angehörige von Minderheiten oder in der institutionellen Hierarchie schlechter Gestellte sie äußern”, richtig. Da aber unserem Kollektiv ja so sehr an „Einordnung“ gelegen ist, sollte man erstens erwähnen, dass dies auch weniger „Marginalisierte“ trifft, und zweitens nicht den reflexhaften Eifer vergessen, mit welchem die Säulenheilige des Kollektivs, nämlich Butler, sowie Dutzende anderer Gestalten aus dem Dunstkreis der „gender studies“ Opfer sexuellen Missbrauchs zu diskreditieren suchen, wenn der Vorwurf einen der ihren trifft. Offenbar geht es mit der „Machtkritik“ „kritischer Theoretiker“ schwupps den Bach herunter, sobald es um die eigene Macht geht.
Ideologischer Affekt gegen die ergebnisoffene wissenschaftliche Methode
Kehren wir zu den propagandistischen Falschbehauptungen des Kollektivs über meine Wenigkeit zurück. Sie verkünden: „Die Pose der ‚Neutralität‘ ermöglicht es dominanten Gruppen, handfeste politische Interessen als ‚unvoreingenommene‘ oder ‚rationale‘ Forschungsergebnisse zu präsentieren und gleichzeitig marginalisierte politische Interessen als ‚moralistisch‘ oder ‚ideologisch‘ (so Steinhoff) zu disqualifizieren.“ „So Steinhoff“? Was ich tatsächlich gesagt habe, ist dies: „Die Objektivität einer wissenschaftlichen Theorie bemisst sich nicht an der paritätischen Besetzung des Forscherteams, das sie formuliert hat, sondern an ihrem methodisch prüfbaren Erklärungswert. In diese Methodik darf nicht politisch, moralistisch oder ideologisch eingegriffen werden, um für gewisse Kreise womöglich unangenehme Ergebnisse auszuschließen und angenehme zu präjudizieren.“ Diese Aussage disqualifiziert jedwede interessegetriebene Verfälschung der wissenschaftlichen Methode, um genehme Ergebnisse zu erzielen und weniger genehme auszuschließen – ganz gleich, ob diese Verfälschung durch oder für dominante oder marginalisierte Gruppen erfolgt.
Übrigens, trotz ihrer Rede von „marginalisierten Gruppen“ und der propagierten Vorstellung, diese sicherten eine „robustere Objektivität“, hat unser Kollektiv erstaunlicherweise keineswegs zur Sicherung derselben z.B. einen sich transidentifizierenden körperlich behinderten Schwarzen mit Migrationshintergrund in seiner Mitte. Allerdings hätte dies auch wenig geändert. Dank eines „formalistischen Wissenschaftsbegriffs“ ist nämlich ersichtlich, dass der Grund für die mindere Qualität der Auslassungen unseres Autorenteams keineswegs dessen nicht-paritätische Besetzung, sondern vielmehr die mangelnde Qualifikation der Besatzung ist. Nicht nur marginalisiert zu sein ist keine wissenschaftliche Qualifikation. „Kritischer Theoretiker“ zu sein offenbar auch nicht.
Dass Wissenschaftler nur wissenschaftlich verfahren, wenn sie ihren Interessen nicht erlauben, die wissenschaftliche Methode zugunsten a priori erwünschter Resultate zu korrumpieren, schließt natürlich nicht aus, dass sie Interessen haben, inklusive berechtigter. Wieder begreift unser Autorenteam dies nicht; denn dass ich Interessen habe, scheinen sie mir vorzuwerfen: „Selten liegen die politischen Interessen so offen auf der Hand wie bei den deutschen Anhänger:innen von Kathleen Stock, die sich aktuell vor allem gegen die von der Ampel-Koalition geplante Liberalisierung des Personenstandsgesetzes richten (so etwa Steinhoff im rechtskonservativen Magazin Cicero).“ Erstens, wenn sie mit „rechts“ „liberal-demokratisch“ und mit „konservativ“ bewahrend meinen, dann, ja, ist Cicero in der Tat eine rechtskonservatives Magazin, nämlich eines, dass die liberale Demokratie bewahren will. Von dem linkspropagandistischen Portal, auf dem das Kollektiv sein Pamphlet veröffentlicht, kann man das womöglich nicht sagen. Zweitens hat auch das Kollektiv politische Interessen: Sie scheinen das Gesetz zu befürworten. Drittens habe ich, wie so viele andere, welche die irreführend so genannten „Selbstbestimmungsgesetze“ national und international kritisieren (also Gesetze, die es Menschen umstandslos erlauben, ihren Geschlechtseintrag mit entsprechenden Rechtsfolgen zu ändern), für meine Kritik gute Gründe vorgelegt. Die Gesetzesvorschläge sind kindeswohlgefährdend und untergraben Elternrechte, Frauenrechte sowie Rede- und Gewissensfreiheit. Sie sind also keineswegs liberal, sondern autoritär. Dies unterscheidet eben rationale Denker von Transgenderideologen: Erstere wissen, dass Männer beziehungsweise autoritäre Gesetze nicht zu Frauen beziehungsweise liberalen Gesetzen werden, indem man die entsprechenden Etiketten an sie dranklebt; Letztere wissen das nicht.
Empirische Ignoranz und sozialwissenschaftliche Inkompetenz
Auch Vukadinović verweist in seinem ZEIT-Artikel auf Stocks Frauenrechtsargument gegen Gesetze, die es Männern erlauben würden, sich umstandslos und mit allen Rechtsfolgen in Frauen umzudeklarieren und in besondere Schutzräume für Frauen vorzudringen; mit all den damit einhergehenden Gefährdungen für diese. Das gefällt unserem Kollektiv nicht. So stellt es erst einmal klar, wer denn die wahrhaft Gefährdeten sind: „Menschenrechtsorganisationen sowie LGBTQ*-Initiativen weisen seit langer Zeit darauf hin, dass Transpersonen gravierenden Anfeindungen und Übergriffen im Alltag, Diskriminierungen im Beruf und Benachteiligungen im öffentlichen Leben ausgesetzt sind.“ Nun, man darf vielleicht darauf hinweisen, dass (und so läuft das üblicherweise) von „LGBTQ*-Initiativen“ durchgeführte nicht-repräsentative Befragungen der eigenen Klientel, welche angesichts der gegenwärtigen Opferolympiade ein erhebliches Interesse daran hat, sich als „marginalisiert“ und „unterdrückt“ zu präsentieren, um beim Staat und Arbeitgebern Vorrechte und Pfründe einzuheimsen, schwerlich empirisch belastbare sozialwissenschaftliche Studien ersetzen. Und die Website der Menschenrechtsorganisation, auf die das Kollektiv verweist, gratuliert sich zwar herzlichst zur eigenen transgenderideologischen Gesinnung, führt aber keine relevanten Evidenzen an; schon gar nicht Evidenzen dafür, dass Transpersonen in Westeuropa oder Deutschland sonderlichen Gefahren ausgesetzt sind. Und in der Tat legt Stock in ihrem Buch (von dem ich bezweifle, dass es auch nur ein einziges Mitglied des Kollektivs ganz gelesen hat) überzeugend dar (auf den Seiten 220-230), dass Transgenderideologen von der Gefährdungslage von Transmenschen ein völlig propagandistisches Bild malen. Aber unser Kollektiv, wie wir sahen, mag ja Propaganda, vor allem die eigene. Während sie das Mobbing von Stock „entdramatisieren“ wollen, haben sie nun gegen ein bisschen Drama nichts einzuwenden.
Nach der Dramatisierung der Gefährdung von Transmenschen folgt flux (es lebe der Kontrapunkt!) wieder eine Entdramatisierung – natürlich der Gefährdungslage von Frauen, denn die sind als solche offenbar nicht „marginalisiert“ genug; da bedarf es schon irgendeines Buchstabens aus dem LGBTQ-Salat. Ich zitiere ausführlich:
Vukadinović … bedient selbst transfeindliche Vorurteile, indem er empirisch widerlegte Mythen kolportiert, die belegen sollen, dass von trans Personen sowohl als Campus-Aktivist:innen als auch im Alltag eine so große Gefahr ausgehe, dass wir ihre Geschlechtsidentität nicht anerkennen sollten. Nur so ist seine den Anschein empirischer Evidenz erschleichende Behauptung zu verstehen, dass aufgrund der Rechte von trans Personen nun Frauen „noch im Gefängnis Risiko laufen, vergewaltigt zu werden“. Hier wird ein Feindbild beschworen, das Sexualpanik auslösen soll. Die Fantasie geht auf einen einzigen Fall zurück, einen folgenschweren Justizskandal, im Zuge dessen ein wegen Vergewaltigung verurteilter Häftling in ein britisches Frauengefängnis verlegt wurde. (Die gravierende und grassierende sexualisierte Gewalt, der trans Frauen in Männergefängnissen ausgesetzt sind, kommt selbstverständlich nicht zur Sprache). Damit soll die Furcht verbreitet werden, dass unter dem Deckmantel der Transsexualität gewalttätige Männer in Frauenräume eindringen – neben Gefängnissen werden häufig Toiletten genannt.
Was das Kollektiv hier demonstriert, ist unverbrüchliche Meinungsstärke bei absoluter Ignoranz. Erstens hat das Kollektiv es gerade nötig, von der Erschleichung empirischer Evidenz zu reden. Die „Studie“, welche angeblich Mythen empirisch widerlegt, behandelt nicht die Konsequenzen der Verlegung männlicher, sich als Frauen identifizierender Gefangener in Frauengefängnisse, sondern einzig und allein die Auswirkungen von Gesetzen („GIPANDO“ genannt), welche es sich als Frauen identifizierenden Männern erlaubt, legal Waschräume von Frauen zu frequentieren. Die Studie, die sich auf einige Orte in Massachusetts beschränkte, hat keinen Unterschied gefunden. Warum nicht? Vielleicht deswegen nicht: „A finding of no difference between the GIPANDO localities and the matched localities may be driven by the small number of localities included in the analysis.“ Gleich nach diesem Eingeständnis erklärt diese Untersuchung jedoch frohgemut, „that we would likely still find no statistically significant difference between the GIPANDO localities and matched localities.“ (S. 77) Offenbar meinen die Autoren, die mangelnde reale Aussagkraft ihrer Studie mit zu geringen realen Fallzahlen einfach dadurch kompensieren zu können, dass sie imaginieren, wie die Ergebnisse ausgesehen hätten, wären die Fallzahlen größer gewesen. Dies ist in der Tat genau das – Imagination. Hinzu kommt, dass auch „the rarity of such incidents may act as a limitation to this analysis“ (S. 79). In der Tat. Das ist dann aber ein weiterer Grund, die Zahlen der untersuchten „localities“ drastisch zu erhöhen. Kurz, dass diese Studie Mythen „widerlegt“ habe, ist Wunschdenken auf Seiten unseres Kollektivs.
Wenn man hingegen einschlägige Evidenz betrachtet, die sich nicht nur auf einige Lokalitäten in Massachusetts beschränkt, sondern in diesem Fall das ganze Vereinigte Königreich umfasst, erweist sich schnell, wer hier tatsächlich Mythen webt. So berichtete 2018 die Sunday Times (die Daten sind ohne paywall auch hier zu haben), dass 90% aller sexuellen Übergriffe in Schwimmbädern in Unisexumkleidekabinen stattfinden. Woran mag das wohl liegen? An genderneutraler Seife? Nein, offensichtlich an der Anwesenheit prädatorischer Männer. Gesetze, die solchen Männern erlauben, sich in „Frauen“ umzudeklarieren, verschaffen ihnen leichten Zugang zu offiziell „geschlechtsgetrennten“ Umkleidekabinen und Toiletten und verwandeln diese zu faktischen Unisextoiletten mit im Vergleich zu gegenwärtigen deutschen Unisextoiletten sogar überproportionalem Anteil an potentiellen männlichen Belästigern. Wenn unser Kollektiv zwei und zwei zusammenzuzählen versucht, dürfte dabei fünf herauskommen, aber die meisten Menschen sollten imstande sein, hier zum richtigen Ergebnis zu gelangen. Es ist mit Sicherheit nicht von Vorteil für Frauen und Mädchen.
Was die Risiken irreführend so genannter „Selbstbestimmungsgesetze“ für weibliche Inhaftierte angeht, so werden die Ausführungen des Kollektivs weder Stocks und Vukadinovićs Positionen (noch meiner), noch der Logik, noch den Fakten gerecht. Tatsächlich sagen sie zum Thema ziemlich genau dasselbe, was der Journalist Andrej Reisin kürzlich dazu in einem langen Artikel gegen Stock und ihre deutschen Verteidiger auf der Plattform Übermedien von sich gab. Da ich dessen Ausführungen bereits im Magazin Novo widerlegt habe (siehe im gegenwärtigen Zusammenhang insbesondere den Abschnitt „Im Frauengefängnis und auf der Toilette“), werde ich mir die Wiederholung hier sparen (wie sich unser Kollektiv ja offensichtlich auch die Lektüre des Textes gespart hat).
Verachtung für biologisch fundierte Frauenrechte
Nicht ersparen kann ich dem Kollektiv freilich den Hinweis darauf, dass sich nicht einmal Reisin zu der Aussage verstiegen hat, die Vergewaltigung von weiblichen Inhaftierten durch sich als „Frauen“ deklarierende Männer sei eine „Fantasie“, die „auf einen einzigen Fall“ zurückgehe. Ein einziger Fall? Nachdem Eva von Redecker, ein Mitglied des Kollektivs, auf Twitter den hier kritisierten Artikel ankündigte, wies sie ein anderer Benutzer auf eine Studie des britischen Ministry of Justice hin, welche ein etwas anderes Bild zeichnet. Von Redecker bedankte sich daraufhin artig „für den Hinweis“. Sie brauchte einen Hinweis? Noch nicht von Kathleen Stock gehört, die den Hinweis ja auch schon einmal gegeben hat? Oder von Google? Dort findet man nämlich bei Eingabe geeigneter Suchbegriffe im Handumdrehen einen Artikel der Sunday Times, welcher auf weitere Fälle verweist und lapidar anmerkt: „Transgender prisoners are five times more likely to carry out sex attacks on inmates at women’s jails than other prisoners are, official figures show.“ Wer hätte das gedacht?
Natürlich aber ist Google dem Kollektiv sehr wohl bekannt. Und somit scheint es, dass dessen Mitgliedern die tatsächlichen Fakten über die Vergewaltigung von inhaftierten Frauen durch sich als Frauen deklarierende Männer schlicht nicht wichtig genug sind, um an deren Feststellung fünf Minuten auf Google zu verschwenden. Sie sorgen sich weniger um die Rechte tatsächlicher Frauen denn um die Wünsche von Männern, die sich als Frauen deklarieren. Stock ist da ganz anders. Was denkt sie sich als Feministin nur dabei?
Nicht nur, dass unserem Kollektiv die empirischen Fakten über Vergewaltigungsrisiken, welchen inhaftierten Frauen von mitinhaftierten männlichen tatsächlichen oder vermeintlichen Transgendermenschen drohen, offenbar egal sind; sie meinen zudem, dass das Argument, inhaftierte Frauen müssten vor solchen Vergewaltigungsgefahren durch Ausschluss von Männern aus Frauengefängnissen geschützt werden, ohnehin grundsätzlich „absurd“ ist. Man reibt sich verwundert die Augen, und bekommt dann die folgende Erläuterung:
Nirgends sonst nehmen wir eine ganze Gruppe in Haftung, um der Möglichkeit eines gewaltsamen Übergriffs vorzubeugen. So wird sexualisierte Gewalt überwiegend von Männern in Familien und auf der Straße verübt – trotzdem dürfen Männer Familien haben und vor die Tür. Dass Gewalt aber überwiegend von Männern ausgeht, verweist genau auf die Ebene struktureller Machtverhältnisse. Das Problem geschlechtsspezifischer Gewalt muss durch feministische, gesamtgesellschaftliche Reformen angegangen werden. Sobald der Gegner Patriarchat heißt und nicht „Transgender-Ideologie“ ist es allerdings schwer, Beifall von einer breiten Querfront zu bekommen.
Nun, wir nehmen klarerweise ganze Gruppen in Haft, zum Beispiel Reiserückkehrer, die in Quarantäne gesteckt, und gewisse Berufsgruppen, die zur Impfung gezwungen werden, um der Möglichkeit einer Ansteckung mit Covid vorzubeugen. Wenn unser Kollektiv die letzten zwei Jahre nicht auf dem Mond verbracht hat, wird es davon gehört haben. Warum aber sollte man dann die eine Gruppe von Menschen nicht auch durch gewaltsame Übergriffe der andern Gruppe schützen, wenn dies verhältnismäßig und ohne Rechteverletzung möglich ist? In der Tat tun „wir“ das schon seit eh und je, denn geschlechtergetrennte Toiletten sind ja keine neue Erfindung. Sie tragen sowohl der natürlichen Scham Rechnung, die Menschen gegenüber Personen des anderen Geschlechts üblicherweise in bestimmten intimeren Situationen zu empfinden pflegen, als auch dem Umstand, dass Männer (auch Männer, die trans sind) im Durchschnitt bedeutend aggressiver und stärker sind als Frauen. Wenn man auf diese empirisch tausendfach bestätigten biologischen Wurzeln des Problems geschlechtsspezifischer Gewalt realitätskonform hinweist statt ominös von allgegenwärtigen patriarchalen Strukturen zu raunen, ist es allerdings wohl schwer, Beifall von einer breiten Wokefront zu bekommen.
Was den speziellen Fall des Gefängnisses angeht: Deren Insassen haben vorübergehend ihr Recht auf Freiheit verwirkt, was ja genau der Grund ist, warum man sie ohne Rechteverletzung einsperren kann. Genauso wenig, wie inhaftierte Männer das Recht auf eine Gefängniszelle mit Meeresblick haben, so wenig haben sie ein Recht auf eine Gefängniszelle im Frauengefängnis. Und während Frauen in der freien Wildbahn durchaus vom freien Ausgang der Männer profitieren, da diese ja nicht den ganzen Tag Däumchen drehen, sondern Arbeiten verrichten, die auch Frauen in hohem Maße zugute kommen, kommt inhaftierten Frauen die enge Nähe krimineller Männer im Gefängnis durchaus nicht zugute. Wer also meint, dass inhaftierte Männer, die trans sind, aber nicht andere Männer, einen Anspruch darauf haben, in Frauengefängnissen untergebracht zu werden, kämpft keineswegs gegen Diskriminierung, sondern für Vorrechte krimineller Männer, die trans sind, auf Kosten der Rechte von Frauen. Ich nenne solche Personen, dem Propagandabegriff „TERF“ (trans exclusionary radical feminism: Propaganda, da nicht Transmenschen, sondern Männer von bestimmten Dingen ausgeschlossen werden sollen) einen realitätsabbildenden Begriff gegenüberstellend, FERTs: Frauen entrechtende radikale Transsupremazisten.
© Uwe Steinhoff 2021
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